Wenn der Eismann zweimal klingelt.
Wenn es ein Geräusch gibt, das für
mich zum Sommer gehört, dann ist es das blecherne Bimmeln, mit dem in meinem
Viertel der italienische Eiswagen sein Kommen ankündigte. Schon von weitem war
er zu hören und wir Kinder machten ein Spiel daraus, zu raten, in welcher der
Nachbarstraßen er gerade ist. Doch wenn wir uns verschätzt hatten, was öfter
vorkam, und er bog bereits in unsere Straße ein, setzte augenblicklich Hektik
ein, die, wenn er schon mehr als einmal gebimmelt hatte, in schiere Panik
umschlug. Der Eismann wartete nämlich nie besonders lange auf seine Kundschaft.
Wo war Mama? Sie hatte das Geld,
das ich dringend für die ersehnte kühle Erfrischung brauchte. Und die
Verhandlungen über die Anzahl der erlaubten Kugeln würde auch wieder Zeit in
Anspruch nehmen. Wertvolle Zeit, in der unser Lieblingsitaliener schon
weiterfahren könnte.
War die erste Hürde genommen, so
trugen wir die Münzen in schweißnassen kleinen Fäusten nach draußen, stellten uns
mehr oder weniger hintereinander auf und jeder wartete, bis er dran war. Man
musste sich auf Zehenspitzen stellen, um einen Blick auf die ersehnte Creme
zu werfen.
„Zwei Kugeln Erdbeer“, durch
Zahnlücken gepfiffen, selten durch ein Lächeln des dunkelhaarigen Verkäufers
quittiert. Er nahm eine Waffel aus dem Stapel, tunkte sein Werkzeug kurz ins
Wasser und formte blitzschnell zwei leckere, hellrote Kugeln. Jetzt hieß es,
sich noch einmal ganz lang zu strecken, um die Münzen in seine Hand zu legen.
„Tschüss“ – und weg.
„Tschüss“ – und weg.
Egal wo: Die Eiswagen und die
Eismänner, die Gelatiere – ein Wort, das ich damals natürlich nicht kannte –
sahen für mich überall gleich aus. Meist war es ein umgebauter VW-Bully, später
kamen andere Marken und Typen hinzu. Und immer waren es braungebrannte
Italiener in mittlerem Alter, die vom Fahrersitz nach hinten kletterten, um
einige Kinderherzen glücklich zu machen.
Wo sind sie heute, die Helden der
Eisherstellung? Dahingerafft von deutschen Lebensmittelverordnungen? Die
Vermutung liegt nahe. Damals dachte niemand darüber nach, wie in den Fahrzeugen
eine angemessene Kühlung möglich war, die wohl zumeist in Eigenarbeit
installiert worden war. Heute würde vielleicht jeder Wagen an den strengen
Wächtern der Hygiene scheitern. Wahrscheinlicher aber ist, dass das immense
Angebot an Eiskreationen aus der Kühltheke und in an allen Ecken und Enden aus
dem Boden sprießenden Eisdielen dem rollenden Eismann den Garaus gemacht haben.
Wie dem auch sei: Ich hab noch
manchmal das Bimmeln im Ohr und möchte am liebsten auf die Straße rennen.
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