Andalusisches Garnelenpfännchen
Zwei junge Männer, übermüdet, doch immer noch neugierig auf die fremde Umgebung,
streifen durch enge Gassen. In dem kleinen Hotel, dessen Zimmerpreise gerade
noch in ihr Budget passen, haben sie geduscht und frische Wäsche angezogen. Nur
die Jeans blieben die gleichen, leicht speckig und mit Schmutzrändern an den
Säumen.
Das kühle Wasser, das den Staub aus den Poren gewaschen hat,
beflügelte die Lebensgeister und so meldete sich recht bald der Magen und
verlangte nach Befriedigung seiner Bedürfnisse.
Doch wohin sollten sie ihre Schritte lenken? Sie besaßen noch
keinen Stadtplan von Granada, denn die touristischen Attraktionen standen erst für
den folgenden Tag auf dem Programm. Und vom Besitz eines Gourmetführers waren
sie gar weiter entfernt als ein amerikanischer Bulettenbrater vom
Michelinstern.
Anzumerken ist hier, dass die beiden in einer Zeit durch das spanische Andalusien zogen,
als Smartphones mit Internetzugang noch etwas für Science-Fiction-Filme waren.
Die beiden liefen einfach los, ließen sich durch die
Altstadt treiben. Wenn eine Gasse interessant erschien, bogen sie ab, rochen
alte, feuchte Gemäuer, weniger schöne Inhalte der Rinnsteine, ab und an jedoch
auch eine angenehme Aromenwolke, die von einem häuslichen Herd ins Freie
gelangt war.
Die Mägen der beiden jungen Männer drängten mehr und mehr.
Es war gegen 21 Uhr, als sie eine Menschenschlange erblickten, die sich um eine
Ecke herum in eine so schmale Gasse hineinzog, dass dort kaum zwei kräftige Männer
aneinander vorbeikamen.
Worauf warteten all diese Leute?
Man drängte sich vor, und erreichte, Entschuldigungen aus
Spanisch murmelnd, den Beginn der Schlange. Zum Erstaunen der beiden jungen
Männer entpuppten sich die Wartenden als Hungrige und offenbar Insider der gastronomischen
Szene der Stadt.
Nicht mehr als sechs kleine, runde und allesamt besetzten Tische
standen rechts und links vom Eingang eines Lokals, zu dem drei kleine Stufen
hinaufführten. Das gelblich-dämmrige Licht der Straßenlaternen ließ die Szenerie
fast unwirklich erscheinen.
Die beiden nicken sich in stummem Einverständnis zu und
stellen sich an das Ende der Schlange. Sie warten. Nach einer Stunde sind sie
endlich an der Reihe, ein freundlicher Kellner weist ihnen einen der kleinen
Tische zu. Doch was sollen sie nun bestellen?
Ihre Blicke gehen zu den anderen Tischen und entdecken
Köstlichkeiten in kleinen Schälchen. „Tapas“ ist ein Wort, das sie erst viel
später kennenlernen werden. Die beiden deutschen Rucksacktouristen deuten um
Amüsement ihrer Tischnachbarn auf deren Teller und Schälchen und stellen sich
so ihr eigenes Menü zusammen.
Als der Kellner mit der bestellten Flasche Wein an den Tisch
tritt, entkorkt er sie geschickt und schüttet den ersten Schluck mit einer
flinken Handbewegung in den Rinnstein. Dann schenkt er beide Gläser voll, ohne
Protest zu ernten, denn auch das Probieren des Weins ist den beiden jungen
Männern unbekannt.
Höhepunkt des kleinen Festmahls sind Garnelen in brodelndem
Olivenöl, wunderbar passend zum gewählten Weißwein. Bis zum letzten Tropfen wird
das Öl mit Knoblauch und Kräutern mit dem Weißbrot aufgetunkt.
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