Weißer Rum von der Blumeninsel

"Komm, trau dich!" Sie lächelt mich erwartungsvoll an. Natürlich traue ich  mich! Da hab ich doch schon ganz andere Sachen erlebt. Also lehne ich mich in dem gemütlichen Korbsessel zurück, setze den kleinen durchsichtigen Becher an die Lippen und trinke die Flüssigkeit, die genauso transparent ist wie das Gefäß, in einem Zug aus. Der weiße Rum fließt meine Kehle hinab in die Eingeweide. Und ich spüre jeden Zentimeter seines Weges.
Das Zeug hat es in sich!

Doch berichten wir von Anfang an:




Calheta liegt an der Südwestküste Madeiras. Touristen schätzen den Ort vor allem wegen seiner zwei kleinen, künstlich angelegten Sandstränden, die jedoch jedem, der zum Beispiel die Costa de la Luz in Spanien kennt, nur ein besonders müdes Lächeln abringen. Die größere, wenig bekannte Attraktion ist dagegen die Engenhos de Calheta, die Zuckermühle. Nur vier davon gibt es auf der gesamten Insel, in Calheta ist sie Produktionsstätte und Museum zugleich.
Die Walzen

Von Ostern bis in den Juni hinein rattern hier die Maschinen. Aber auch bei meinem Besuch im August riecht es an allen Ecken und Enden nach Vergärung und Alkohol.
Mit Lkws werden die Zuckerrohrhalme, in denen 25% Zucker gespeichert ist, angeliefert. Tagelöhner arbeiten hier die sich ihr Bort außerhalb der Saison an anderer Stelle verdienen müssen. Unablässig werden die Halme auf ein Fließband geworfen und von diesem durch drei Walzen befördert. So wird bei ständiger Zugabe von Wasser der „Garapa“ (Zuckersaft) herausgepresst und ausgeschwemmt. Er sammelt sich in einem Becken unterhalb der Walzen.

Gärungsbrunnen
In der zweiten Etage steht der Gärungsbrunnen, in dem der Garapa zu Alkohol destilliert wird. Letzter Schritt zur Herstellung des „aquardente de cana“ ist die Destillation, die den Alkohol in jenen 50%igen weißen Rum verwandelt, der meine Kehle hinunterfegte.

Auch braunen Rum gibt es, „aquardente velha“ (Alter Branntwein) genannt, der aus qualitativ höheren Zuckerrohrsorten durch Zusatz von Zuckercouleur destilliert und 25 Jahre in Eichenfässern gelagert wird.
Der weiße Rum ist, wie im Video schon erläutert, ein Bestandteil des „poncha“, des traditionellen Getränks auf Madeira, das schon so Manchen von den Beinen geholt hat, dem der süße Geschmack eine nicht vorhandene Harmlosigkeit vorgaukelte.
Der Museumsteil der Mühle

Probieren sollte man in der Zuckerrohrmühle auch den „rumel“ (Rum mit Honig) und den „bolo de mel“ (Honigkuchen).
Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Zuckerrohrhalme komplett verwertet werden: Die ausgepressten Reste werden getrocknet, zerkleinert und zur Befeuerung der Anlage verbrannt wird.






© für alle Fotos: Wolfgang Wegner

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Lava-Wein: Ein Malvasier aus Lanzerote

Schwarzer Degenfisch und tropische Früchte

Kochen: die älteste Kunstgattung